Es sind Morgen, an denen ich aufwache und mich gut fühle, nur um im nächsten Moment festzustellen, dass ich heute keinen Filter trage. Nicht auf social media, sondern in mir. Es sind Morgen, an denen ich mir überlege, ob mein «Es geht mir gut» womöglich ein Trugschluss ist oder sich lediglich mit einem ungünstigen Aufeinandertreffen erklären lässt. Es sind Morgen, die zu Tagen werden, an denen ich mich tatsächlich so lange gut fühle, bis ich auf andere Menschen treffe. «Interaktionen sind eine Art von Realitätsübeprüfung. Sie sind wichtig, weil sie einem Aufschluss darüber geben, wie (un)gefestigt eine Entscheidung ist, die wir im stillen Kämmerlein für uns getroffen und als eigentlich gefestigt erachtet haben.» Das heißt, ich kann zu Hause auf der Couch hocken und mich so selbstsicher fühlen, wie ein Hai in einem Schwarm Clownfische, nur, um wenn ich die Bude verlasse festzustellen, dass es heute sogar Nemo schaffen würde, mich zum Weinen zu bringen. An solchen Morgen geht es mir folglich nur so lange gut, wie ich allein bin oder Reaktionen erhalte, die mich in meinem Dasein bestätigen. Es ist eine äußerst fragile Variante von «Es geht mir gut», denn sie ist abhängig von äußeren Faktoren.
Ich liege also noch im Bett und freue mich darüber, dass Wochenende ist, während ich mich gleichzeitig frage, wie es wohl meinem Mann psychisch gehen mag, weil ich beispielsweise weiß, dass er momentan gerade nicht vor Lebensenergie sprüht. Ich spüre, dass mich diese Begebenheit belastet, nicht im Großen, aber im kleinen Masse, weil ihr etwas Unberechenbares anhaftet. Ich bin – nicht nur an solchen Morgen – jemand, der sich nur schwer von anderen Energien abgrenzen kann und schon immer dazu geneigt hat, diese von meinem Gegenüber zu übernehmen. Auf der Handlungsebene kann ich mich zwar abgrenzen, aber nicht auf der emotionalen, denn innerlich «macht es etwas mit mir». Ich bin auch jemand, der solche Phasen, wie sie mein Mann hat, selbst gut genug kennt, weshalb Schuldzuweisungen auch völlig fehl am Platz wären.
Es ist morgen, ich liege in meinem Hochbett und nehme mir vor, ruhig, liebevoll und gelassen auf die womöglich eher gedrückte Stimmung von Applejack zu reagieren. Ich kann das, denn «Hey, es geht mir ja gut.». Schließlich hat seine Stimmung nichts mit mir zu tun und schließlich kann ich ja nicht von ihm verlangen, dass er mit einem Dauergrinsen durch die Welt rennt, während ich selbst dazu auch nicht in der Lage bin. Es sind Morgen, an denen ich mir denke: «Alles gut. Es geht mir ja gut.». Gleichzeitig teilt mir eine innere Stimme, in der Gestalt von Stephan Remmler mit: «Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei».
Es sind Morgen, an denen wir – mein Mann und ich – nicht kompatibel sind, weil wir ein Störfaktor in der jeweiligen Welt des Gegenübers darstellen. Es handelt sich um Momente, in denen wir uns eingestehen müssen, dass es nicht immer oder zumindest nicht immer sofort, eine Lösung für jedes Problem gibt und, dass das einzige funktionierende Miteinander, ein respektvolles Nebeneinander ist. Trotzdem gelingt es uns, wenn die Sterne gerade ungünstig stehen, nicht immer, Ruhe zu bewahren. So stelle ich ihm beispielsweise Fragen, bei denen ich bereits im Voraus weiß, dass ich nicht mit seiner Antwort umgehen werden kann. Das ist nicht sehr schlau. Applejack – auf der anderen Seite – gibt mir Ratschläge, um die ich nicht gebeten habe. Auch das ist, in solchen Momenten, nicht sehr weise.
Ich reite mich selbst ins Verderben, indem ich etwas Bestimmtes von ihm wissen will und dabei vergesse, dass er zwar ein Lexikon ist, jedoch eines, das Zusammenhänge auf der Sachebene herstellen und abrufen kann, jedoch keines, wenn es darum geht, mir Fragen auf der zwischenmenschlichen Ebene zu beantworten.
An solchen Morgen wären wir dann schlau, wenn wir uns einfach in unseren jeweiligen Welten in Ruhe ließen, weil ich für seine zu dünnhäutig bin und er für meine zu wenig feinfühlig. Es wäre sinnvoll, tiefgründige Fragen, die uns als Paar betreffen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, um Antworten zu erhalten, die etwas besser verwertbar sind. Vielleicht sollte ich an jenen Morgen einfach besser auf meine innere Stimme hören, die womöglich nicht sagt «Alles ist gut!», sondern «Alles wird gut!».