Gemeinsame Nenner - Ein kleiner Vorgeschmack

Unterschied: Er spricht oft zu laut, ich zu wenig deutlich.

Vorteil: Ich höre es immer, wenn er zu mir sagt «Ich liebe dich!», er hingegen bekommt nicht mit, wenn ich nuschle «Ich mich auch!»

 

Unterschied: Rein körperlich betrachtet, begegnen wir uns nicht auf Augenhöhe. Ich bin platzsparend gewachsen, er ist wortwörtlich auf großem Fuße unterwegs.

Vorteil: Ich passe in sein Handgepäck, während er für mich, auch ohne Fähnchen, stets leicht zu finden ist.

 

Unterschied: Er interessiert sich für den Weltraum, ich mich nur dann, wenn ich wissen will, wie man jemanden am effektivsten dorthin schießen kann.

Vorteil: Er weiß, welche Planeten geeignet sind, ich, welche Personen.

 

Unterschied: Er schwitzt bei Temperaturen über, ich friere bei solchen, die unter 20 ° Celsius liegen.

Vorteil: Wenn wir uns umarmen, herrschen Idealbedingungen.

 

Unterschied: Ich liebe Käse, er hingegen würde am liebsten einen Exorzismus an mir vollziehen, wenn er sieht, wie ich mich damit am Essen «vergreife».

Vorteil: Ich weiß, wie ich ihn auf Abstand halten und er wie er mich anlocken kann. Mit Speck mag man vielleicht Mäuse fangen, aber mit Käse die Ramona.

 

Unterschied: Er betrachtet die Welt eher rational, ich bin ein emotionales Geschöpf.

Vorteil: Ich kann explodieren wie ein Vulkan, er berechnen, wann die Eruption stattfinden wird

 

Unterschied: Er kann nicht langsam laufen, ich nicht schnell gehen.

Vorteil: Ich kann meine Sporteinheiten in die Spaziergänge integrieren und somit dafür sorgen, dass ich, auch vom Volumen her, weiterhin in sein Handgepäck passe.

 

Nachteil: Wir ekeln uns beide vor größeren Spinnen.

Vorteil: Wir verbringen gemeinsam Zeit. Wir starren eine halbe Stunde lang auf ein achtbeiniges Geschöpf, während wir uns überlegen, ob wir für die Entfernung eher auf ein Bierglas oder einen Flammenwerfer zurückgreifen sollen.

 

Gemeinsamkeit: Wir würden beide freiwillig mit den Aliens mitgehen. A***hsonde hin oder her.

Nachteil: Keiner. Wir sind offen gegenüber von Fremden und haben in dieser Hinsicht Zukunftsvorstellungen, die nicht voneinander abweichen.

 

Er lebt mit dem Befund «Hochfunktionaler Autismus», ich mit einer Horde Affen in meinem Kopf und der Gewissheit, dass man auch ohne Diagnose «spinnen» kann. Mein Mann und ich gehören in Kombination einer Gattung an, die von der Gesellschaft als nicht überlebensfähig eingestuft worden ist: Zu viele Probleme, zu schlechte Voraussetzungen, zu ungesunde Beweggründe.

Allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es uns immer wieder, aus Problemen Lösungen zu kreieren, schlechte Voraussetzungen in komfortablere Bedingungen zu transformieren und unterwältigenden Beweggründen ein gesundes Dasein zu verschaffen. In meinem Buch «Ein Spektronaut auf dem Weg zum Planeten der Affen» (coming soon) schreibe ich darüber, wie wir uns kennen- und lieben gelernt haben. Ich erzähle von den Schwierigkeiten, die vor allem zu Beginn der Liaison, unseren Beziehungsalltag vor Herausforderungen gestellt haben: Unsere Rollen, die arbeitsbedingt einem Abhängigkeitsverhältnis entsprungen sind, seine Sucht, meine Hochsensibilität und nicht zuletzt seine autistisch geprägten Verhaltensweisen. Ich erzähle jedoch auch, wie wir das Minenfeld immer wieder entschärfen und in fruchtbares Land umwandeln.

 

Wir, das sind mein Mann Applejack und ich, Ramona. Wir tragen beide die Lebenseinstellung in uns, dass man nie ausgelernt hat, auch nicht voneinander. Applejack und ich «leiden» beide an Querulantitis, weil wir festgestellt haben, dass Vieles realisierbar wird, wenn wir unseren eigenen Weg gehen und uns dabei auf unsere Möglichkeiten konzentrieren, anstatt Zeit mit Vergleichen zu vergeuden. Wir glauben zudem daran, dass wenn wir unser Gegenüber so sehen können, wie es wirklich ist und nicht so, wie wir es gerne sehen wollen, dem ein Potenzial innewohnt, das uns Wachstum ermöglicht. Eine Entwicklung wahrnehmen zu können ist der wesentliche Grund dafür, weshalb sich für uns jede einzelne «Überstunde» lohnt, die wir in unsere Beziehung stecken und mehr als nur ein notwendiges Übel darstellt. Wir leben nicht mit der Utopie, dass irgendwann alles besser wird, sondern sorgen dafür, dass es besser ist. Wir haben die Weisheit nicht mit dem goldenen Löffel gefressen, aber wir schaufeln immer wieder aufs Neue Erkenntnisse in uns hinein. Wir möchten Wege finden, auch wenn sich andere gar nicht erst die Mühe machen würden, diese zu suchen. Wir persönlich glauben, dass dies langfristig gesehen sinnvollere ist. In einer Wegwerfgesellschaft ist es unser Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Daran möchten wir euch gerne teilhaben lassen. Wir sind gespannt von euren eigenen Erfahrungen zu hören und freuen uns auf Inspiration. Bis dann!