The Answer Is Blowin' In The Wind

Es gibt da so ein Gerät, das viele Frauen im Schlafzimmer liegen haben. Es verfügt in der Regel über verschiedene Leistungsstufen und bereitet jenen, die es benutzen großes Vergnügen. Das Gadget, von dem ich spreche, fängt mit dem Buchstaben ,,V’’ an. Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich liiiebe jedenfalls meinen Ventilator. Ein Schelm, wer gerade an etwas Anderes gedacht hat. Wie sehr ich ihn liebe ist mir eben gerade wieder bewußt geworden. Es war in der Nacht, in der mein Mann ihn, aus einem mir nicht bekannten Grund, ausgeschaltet hat, so dachte ich jedenfalls. Später stellte sich allerdings heraus, daß ich ihn aus einem mir ebenso unbekannten Grund wohl vergeßen hatte einzuschalten. Wie konnte ich nur. Ich muß dazu Folgendes sagen: Wir laßen uns nicht die ganze Nacht besummen, weil es so heiß ist, sondern weil es ohne ihn so laut wäre – für mein Empfinden. Und wer nun seine Augenbrauen bis in den Haaransatz hochzieht: Ja, Ventilatoren sagt man nicht unbedingt nach, besonders leise zu sein, meinem Göttergatten allerdings auch nicht. Was man fairerweise ebenfalls dazu sagen muss: Er mag vielleicht nicht auf den leisesten Sohlen durchs Leben tanzen, ich dafür habe nicht unbedingt die dickste Haut. Jedenfalls, in jener Nacht, in welcher das Schneetreiben draußen, einen offensichtlichen Gegensatz zum Blasgerät drinnen darstellte, wurde mir vor Ohren geführt, weshalb mich der Ventilator davor schützt, ein böser Mensch zu sein. Ich hörte etwas laut, deutlich und ungefiltert, das normalerweise von einem weißen Rauschen neutralisiert wurde: Das Schnarchen meines Mannes. Nachdem ich einige Male ,,Pssst» gezischt hatte und Applejack schließlich den Raum verließ, war ich zunächst erleichtert. Dieser Zustand hielt allerdings nicht lange an, denn was bei mir offenbar in Vergeßenheit geraten war, wurde mir nun ebenfalls vor Ohren geführt. Mein Mann kann Vieles. Beispielsweise kann er so aufwachen, wie ein Porsche starten, nämlich von Null auf Hundert binnen weniger Sekunden. Eben noch Bäume gesägt, steht er nur wenige Atemzüge später bereits in der Küche und sägt Brot. Meist hat Applejack nur kurze Schlafphasen, die häufig nicht länger als zwei Stunden am Stück andauern. Wacht er auf, so kann er nicht liegen bleiben und auf den nächsten Besuch des Sandmännchens, -weibchens oder -diverschens warten, sondern muß sich in die Senkrechte begeben. Aus diesem Grund haben wir die Vereinbarung getroffen, daß er, wenn er das Schlafzimmer zum zweiten Mal verläßt, draußen bleibt und sein Nachtlager auf dem Sofa aufschlägt. Manchmal klappt dies, manchmal nicht. Nicht immer registriert Applejack, wie oft er das Schlafgemach bereits verlaßen hat. Sein schlaftrunkenes Ich ist nämlich nicht in der Lage zu zählen. Auch weiß er morgens manchmal nicht mehr, was er in der Nacht getrieben hat. Die Spurensicherung kann nicht selten Überreste von Nüßen oder Honig feststellen. Früher, als seine psychische Verfaßung noch deutlich schlechter war, konnte er manchmal nächtelang nicht schlafen und trieb infolgedessen oft im Wohnzimmer sein Unwesen: Schranktüre auf, Schranktüre zu. Lichtschalter an, Lichtschalter aus. Balkontüre auf, Balkontüre zu und dann folgte mein persönliches Armageddon. Regelmäßige Raschel-Odysseen trieben mich zur Weißglut. Damals existierten weder Hochbett noch Ventilator und die einzige Lösung bestand darin, ihn in seine eigenen vier Wände zu beordern. Abmachungen vor Ort fruchteten nur ab und zu, da er wie erwähnt oftmals gar nicht realisierte was er tat oder wie er es tat, weil es viel eher mit ihm zu tun schien. Mit der Zeit wurden die Stunden, in denen er schlafen konnte mehr und seine nächtlichen Eskapaden weniger. Mittlerweile ist die Chance sogar grösser, dass ich ab einem Schnarchen aufwache und feststellen muss, dass es mein eigenes ist. Applejack ist nun deutlich achtsamer unterwegs, wenn er nachts nicht schlafen kann. So sagt er selbst: «Es liegt nicht nur in deinem Interesse, dass ich gut schlafen kann, sondern auch in meinem!» Sein größeres Bewusstsein ändert jedoch nichts an meiner Hypersensibilität. Schon seit ich denken kann, haben beispielsweise bloße Atemgeräusche von Zimmergenossen Mordgedanken in mir ausgelöst. Nachdem ich mich früher nächtelang mit Aushalten gequält habe und dabei abwechselnd die Hände zur Faust ballte und Tränen vergoss, während ich neben meinem atmenden Partner lag, habe ich mich nun dafür entschieden, selbst zu wählen, wie ich meine Nächte verbringe. Es gibt zumindest hierzulande kein Gesetz, das vorschreibt, dass ich im selben Bett wie mein Partner nächtigen muss. Nachts bin ich am liebsten eines, nämlich allein. In einer kleinen Wohnung wie jener, in der mein Mann und ich gemeinsam wohnen, ist das aber nun mal nicht möglich, doch wie man so schön sagt: Not macht erfinderisch. Schon immer hatte ich mir ein Hochbett gewünscht und schließlich war die Zeit gekommen, dieser Wunschvorstellung Hände und Füße, beziehungsweise Holzpfosten und Latten zu geben. Mein Mann halft mir tatkräftig bei der Realisierung dieses Projektes. Seither schlafen wir zwar nach wie vor im selben Zimmer, er jedoch in unserem ursprünglichen Bett und ich in unserem Eigenbau. Es macht einen erheblichen Unterschied für mich, ob ich ihn nur wenige Zentimeter neben meinem Ohr oder ein paar Meter entfernt atmen höre. Kurz zuvor, war in einer lauen Sommernacht zudem eine neue Liebe in mein Leben getreten. Zunächst war man nur befreundet gewesen. Es hatte etwas Zeit gebraucht, bis ich ,,ihn’’ auf dieser Ebene habe sehen und sein Potenzial erkennen können. Ja, es war wahr, mit dem Ventilator konnte ich beßer schlafen. Zumindest für mich relativierte er unliebsame Geräusche und die Töne, die wiederum er von sich gab, hatten auf mich in etwa dieselbe Wirkung, wie der Staubsauger auf schreiende Babys. So ließen wir unserer Dreiecksbeziehung fortan freien Lauf, bis sie in jener Nacht jäh unterbrochen wurde. Ich horchte und hörte meinen Mann: Schranktüre auf, Schranktüre zu. Lichtschalter an, Lichtschalter aus. Balkontüre auf, Balkontüre zu. Schritte. Geraschel. Armageddon. Ich horchte in mich hinein. Da war sie plötzlich wieder, dieselbe Anspannung wie früher. Ein Affe in meinem Kopf schlug einen Meuchelmord vor, doch er war zu faul. Dann horchte ich noch einmal und da fiel mir auf, daß etwas fehlte, etwas mir Vertrautes war zum Schweigen gebracht worden. Der Ventilator lief nicht mehr. War es heimtückischer Mord oder vorsätzliche Vergeßlichkeit? Ich hätte nachsehen können, aber ich lag in einem Bett, fast zwei Meter über Meer. ,,Mach du mal!» raunzte ich den Affen an. ,,Mach doch selber!» raunzte er zurück. Irgendwann kehrte Applejack ins Schlafzimmer zurück. Ich fragte mich, ob er sich nachts wohl tatsächlich nach wie vor ruhiger verhielt oder seine Geräusche jeweils lediglich von jenen des Ventilators übertönt wurden. Man müßte die Nachbarn fragen, zum Beispiel diejenige Dame, die die Fische des Nachbarn unter uns atmen hört. ,,Machst du bitte den Ventilator wieder an!’’ tönte ich von oben herab, denn ich ging ja davon aus, daß er ihm den Garaus gemacht hatte. Mein Mann überhörte das Wörtchen ,,wieder» und tat, wie ihm befohlen wurde. Da war es wieder, das vertraute Summen. Ich streckte mich nochmals, ehe ich schließlich selig einschlief wie ein alter Fiat, von Hundert auf Null, binnen weniger Sekunden.

 

Und die Moral von der Geschichte:

Liebe ist, wenn der Ventilator nimmer schweigt und die Stromrechnung stetig steigt!