Liebesgeflüster 2.0

Unsere Version des Paargespräches

 

1.Kritische Rückmeldung

Was ist mir negativ aufgefallen, hat mich gestört, finde ich bedenklich oder möchte ich dich/uns darauf hinweisen?

 

2. Positive Rückmeldung

Was ist mir positiv aufgefallen, hat mich gefreut, finde ich super oder möchte ich dir/uns gerne ein Kompliment dafür machen?

 

3. Frage

Was verstehe ich nicht, ist mir unklar oder möchte ich gerne mehr darüber wissen?

 

4. Mitteilung

Was beschäftigt mich gerade und möchte ich, dass du davon weißt?

 

5. Wunsch

Was wünsche ich mir von dir/uns oder worum möchte ich dich bitten?

 

6. Vorschlag

Was könnten du/ich/wir machen (z.B Unternehmung, Strukturpunkt, Hilfestellung)?

 

Zugegebenermaßen, es ist etwas heikel, Gespräche mit einem kritischen Feedback zu eröffnen. Ich empfinde es jedoch als genauso unpassend, einen Dialog damit zu schließen oder den Elefanten in der Mitte der Konversation in den Raum zu werfen. Nun ja, ich hatte im letzten Beitrag angesprochen, dass wir einst ein Paargespräch erstellten, das uns bei der Kommunikation behilflich sein sollte und dies im Endeffekt auch gewesen ist. Ich hatte jedoch ebenfalls angetönt, dass sich das erste Traktandum als etwas tückisch erwiesen hat. Applejack war sich aus der Vergangenheit gewohnt, kritische Rückmeldungen als jene Form von Rüffel zu aufzufassen, die ihn als Sündenbock durch und durch dastehen ließen. Sehr schnell keimte in ihm während unserer Gespräche, dadurch jeweils das Gefühl auf, nichts richtig machen zu können. Die Folge davon war eine Mischung aus Blockade und Frust, die ein weiteres Miteinander-Sprechen erschwerten oder gar verunmöglichten. Es lag nicht unbedingt an der Art und Weise wie ich ihm ein Feedback gab, aber auch. Einerseits hätte ich noch so gewaltfreie und vorbildliche Botschaften senden können und seine Triggerpunkte dennoch immer wieder getroffen, andererseits konnte ich meine eigenen Emotionen oftmals nur schwer verbergen. Sie lugten trotz bedacht gewählter Worte meist aus mindestens einem Nasenloch hervor. Da nützten alle gutgemeinten Regeln der Gesprächsführung nichts. Somit beschlossen wir, diesen Punkt von der Liste zu streichen. Stattdessen konnten wir feststellen, dass sich das Traktandum viel besser in Form von einer „Frage“ einbringen ließ. Anstatt, dass ich ihm künftig also beispielsweise mitteilte: „Es nervt mich, dass ich allein die Verantwortung für unsere Freizeitgestaltung trage und du dich nie darum kümmerst!“, fragte ich stattdessen: „Woran liegt es, dass es dir so schwerfällt etwas Nettes für uns zu planen?“. Erstens suggerierte ich durch die Fragestellung ein Interesse daran, verstehen zu wollen, was die Ursachen für sein Verhalten sind. Zweitens gelangte ich dadurch oftmals an Informationen, die wiederum mein Verständnis förderten. Und drittens schaffte diese Art von Austausch eine weitaus weniger giftigere Grundlage dafür, das in diesem Fall bestehende Ungleichgewicht zu verändern.

Vor allem dann, wenn ich davon ausgehen muss, dass mein Partner etwas nicht einfach deshalb tut oder unterlässt, weil er zu faul oder egoistisch ist, entspricht es meiner Meinung nach nicht der feinen Art, ihn sogleich dem Haftrichter vorzuführen. Seit wir jedenfalls Traktandum Nr. 1 gestrichen hatten, konnten wir unsere Gespräche jeweils auch zu Ende führen.

Beim Traktandum Nr. 2, welches ein positives Feedback enthalten soll, muss man sich vergleichsweise schon sehr doof anstellen, um daraus einen Ehekrach entstehen zu lassen (unmöglich ist es allerdings nicht). Ist man weder eine totale Niete darin, ein Kompliment über die Lippen zu bringen und tut man sich nicht allzu schwer, ein solches anzunehmen, so dürfte dieser Punkt die Beziehung erfahrungsgemäß eher stärken als schwächen. Einander mitzuteilen, was man an der anderen Person gut findet oder worauf man stolz ist, trägt dazu bei, dass die Wertschätzung im Alltag nicht verloren geht.

Traktandum Nr. 3 (Frage) hatten wir schon. Dieses musste natürlich aber nicht zwingend Fragen enthalten, die ursprünglich als kritisches Feedback gedacht gewesen sind. Die Frage hätte auch lauten können: „Wie war dein Stuhlgang heute Morgen?“.

Traktandum Nr. 4 (Mitteilung) war für mich insbesondere dann ein hilfreiches Gefäß, wenn ich es im Alltag wieder einmal nicht geschafft habe, meinem Mann mitzuteilen, was mich gerade beschäftigt. Allerdings hat sich auch Applejack im Nachhinein mehrmals eingestehen können, dass es ihm gutgetan hat über ein  bestimmtes Thema zu sprechen, das vorgängig nur in seinem eigenen Oberstübchen in Erscheinung getreten ist.

Traktandum Nr. 5 (Wunsch) lässt sich übrigens ebenfalls als trojanisches Pferd für ein bisschen „Schimpfe“ missbrauchen. Nochmals: Anstatt, dass ich meinem Mann mitteile, was mich weshalb nervt, könnte ich ihn in den allermeisten Fällen auch einfach darum bitten zu tun, wonach mir gelüstet. Für mich war es eine Gelegenheit, ihn beispielsweise darum zu bitten, in der nächsten Woche einen Tisch in einem Restaurant für uns zu reservieren. So kam ich in den Genuss, dass zur Abwechslung einmal er und nicht ich eine Aktivität plante. Gleichzeitig hatte Applejack an dieser Stelle die Möglichkeit nachzufragen, wenn ihn diesbezüglich irgendwelche Unsicherheiten plagten.

Nr. 6 (Vorschlag) war für uns vor allem ein lösungsorientiertes Traktandum. Es konnte darum gehen, ein Handling mit einem gegenwärtigen Problem zu finden und dieses anschließend in der Praxis zu testen. Vorschläge konnten allerdings auch lediglich in Zusammenhang mit vorgängig geäußerten Wünschen stehen wie z.B: «Lass uns doch nächsten Sonntag wandern gehen!».

 

 

Ich denke, jedes Paar muss seinen eigenen Weg dafür finden, wie es auf eine zufriedenstellende Art und Weise miteinander kommunizieren kann. Mittlerweile greifen Applejack und ich nur noch selten auf das erstellte Dokument zurück. Dies deshalb, weil wir bedeutende Fortschritte in der Kommunikation erzielen konnten und sich wohl nicht zuletzt durch das regelmäßige Üben, im Rahmen der Paargespräche, gewisse Punkte inzwischen verselbständigt haben und nun im Alltag von allein funktionieren. Wir sind das beste Beispiel dafür, dass nur, weil Menschen in der Regel bereits als Kleinkind in der Lage zu sprechen sind, dies noch lange nicht heißt, dass man sich gegenseitig auch immer versteht. Ob es nun daran liegt, dass sich der Partner oder die Partnerin im Spektrum befindet oder die Kommunikation durch eine Horde Affen im Kopf erschwert wird, es gibt meist Mittel und Wege, die gegenseitige Verständigung zu verbessern. Die Voraussetzungen dafür bestehen – unserer Ansicht nach – zum einen in einem aufrichtigen Interesse daran, die Andersartigkeit des Gegenübers verstehen und respektieren zu wollen, so wie in der grundsätzlichen Bereitschaft dazu, sich einander mitzuteilen, damit überhaupt die Chance besteht, sich immer wieder aufs Neue, irgendwo in der Mitte zu treffen. Für uns bedeutet dies weder, dass wir all unsere individuellen Prinzipien über Bord werfen, noch, dass niemand auch nur einen Zentimeter von seinem Pfad abrückt. Es gibt seinen Bereich, es gibt meinen Bereich und es gibt unseren Bereich (Dirty Dancing lässt grüßen). Manchmal besucht er mich in meinem, manchmal besuche ich ihn in seinem und manchmal erschaffen wir einen ganz neuen Bereich, den wir erst zu unserem machen müssen.